Bienenhotels liegen heute im Trend und werden sogar in Diskontläden verkauft. Die Bauartqualität dieser Billigprodukte – das sei nebenbei erwähnt – ist praktisch immer „unterirdisch“. Aber auch Eigenanfertigungen entsprechen nur ganz selten wirklich den Bedürfnissen der Bienen und manchmal nisten fast gar keine Bienen in solchen Erzeugnissen.
Der großen Masse der etwa 700 österreichischen Wildbienenarten kann man aber mit solchen „Hotels“ ohnehin nicht helfen. Bezogen werden die Nisthilfen normalerweise zum größten Teil von den 2 großen Mauerbienen-Arten Osmia cornuta und O. bicornis, zwei noch immer häufige Arten, die in Österreich ungefährdet sind. Wenn diese beiden Arten mit ihrem Brutgeschäft fertig sind, glauben viele Nisthilfenbetreiber, dass die Saison gelaufen sei. Meist sind in dem Hotel aber noch einige, etwas kleinere Röhren mit geringerem Durchmesser frei und im Frühsommer startet unbeachtet eine weitere Mauerbienenart ihre Flugzeit: Kaum sind die ersten Blüten des sommerblühenden blauen Natternkopfs (Echium vulgare) offen, kann man dort kleine, dunkle Wildbienen in rasendem Flug beobachten, die den Pollen des Natternkopfs in ihrer Bauchbürste verstauen. Es handelt sich um die Weibchen der Natternkopf-Mauerbiene, die oligolektisch an Natternkopf ist, das heißt, sie sammelt Pollen nur von Pflanzen der Gattung Echium.
Natternkopf-Mauerbiene Osmia adunca besucht Blüten des Natternkopfs Echium vulgare, 9.6.2018
Hat man in seinem Garten sowohl Natternkopfbestände als auch eine Bienennisthilfe, dann kann man die komplette Brutsaison einer Wildbiene in allen ihren Facetten beobachten.
Natternkopf ist ein Muss im Garten, wenn man die Natternkopf-Mauerbiene in seiner Nisthilfe beobachten will; 8.6.2022.
Die Männchen sind schon etwas früher geschlüpft und erwarten das Erscheinen der Weibchen. Da der Nektar des Natternkopfs noch nicht verfügbar ist, verköstigen sie sich anderswo, z.B. an den letzten Blüten des Wiesensalbeis. Frische Männchen zeigen eine aparte Färbung mit rostroter Behaarung und kontrastierenden grünen Augen. Bald aber bleichen sie aus, um nach kurzer Zeit ganz zu verschwinden, während die Weibchen noch länger leben und viele Brutzellen mit Pollen befüllen.
Natternkopf-Mauerbiene Männchen, auf Gartenmauer sonnend, 19.6.2014
Frisches Natternkopf-Mauerbienenmännchen verköstigt sich in Ermangelung von Natternkopfblüten an den letzten Blüten des Wiesen-Salbeis im Garten, 23.5.2014.
Mein kleines Bienenhotel, das ich vor ein paar Jahren mit Schülern im Werkunterricht gefertigt hatte, ist zur Gänze mit Röhrchen aus Staudenknöterich gefüllt. Den Knöterich holt man sich ab Ende November von einem Flussufer. Die Röhren sind stabil, bieten verschiedene Durchmesser, eine Scheidewand und müssen nur geschnitten und an der Öffnung etwas abgeschliffen werden, damit sich die Bienen nicht ihre Flügel beschädigen. Man kann so Röhren von 2 bis 9mm Durchmesser für die verschiedensten Bienenarten anbieten.
Ab Anfang Juni beginnen die Natternkopf-Mauerbienen-Weibchen mit dem Befüllen der Niströhren. Sie arbeiten dabei äußerst schnell und effizient. Beim Fotografieren sind diese Bienen daher alles andere als einfach, und brauchbare Bilder erfordern viel Geduld.
Weibchen der Natternkopf-Mauerbiene verlässt eine Niströhre zum nächsten Sammelflug, 6.6.2022.
Bei meinem Hotel kommt jetzt noch eine Besonderheit zum Tragen: Seit Jahren halten sich hier regelmäßig einzelne Vertreter der sehr seltenen Zweizahnbiene Dioxys cincta auf. Dieser Brutparasit wurde in Österreich nur selten beobachtet und als Wirt die Schwarze Mörtelbiene (Megachile parietina) angenommen. Da die Art aber auch an Stellen entdeckt wurde, wo keine Mörtelbienen leben, aber Mauerbienen nisten, dürften wohl letztere der Hauptwirt der Zweizahnbienen sein. Dieser Umstand ist an meinem Bienenhotel gut zu beobachten. Denn fast gleichzeitig mit den Natternkopf-Mauerbienen ist bei meiner Nisthilfe auch heuer wieder ein Weibchen der Zweizahnbiene erschienen.
Zweizahnbiene Dioxys cincta, Weibchen. 6.6.2022.
Zweizahnbiene Dioxys cincta, Männchen. 2.6.2018.
Die Weibchen dieser Art haben bei mir das erste Tergit rot gefärbt, während die Männchen sogar 2 rote Tergite haben. Dadurch werden die Tiere an einem Bienenhotel leicht bestimmbar. Sie sind allerdings nur wenige Millimeter groß, also deutlich kleiner als ihr Wirt. Weibchen inspizieren regelmäßig von den Mauerbienen beflogene Niströhren und versuchen, bei passender Gelegenheit ihre Eier in einer Brutzelle der Mauerbiene unterzubringen.
Weibchen von Dioxys cincta inspiziert eine von Osmia adunca beflogene Niströhre, 6.6.2022.
Die Mauerbienen-Weibchen bauen jedenfalls die Niströhre mit mehreren Brutkammern fertig und mauern schließlich den Röhreneingang zu. Im Inneren entwickeln sich die Mauerbienen des nächsten Jahres oder eben auch die Nachkommen der Zweizahnbiene.
Weibchen von Osmia adunca mauert den Eingang einer Niströhre in altem Holz zu, 9.6.2018.
Spannend zu beobachten! Man sollte dies öfters an seiner Nisthilfe tun, denn es gibt vieles an Hymenopteren zu entdecken dort bis hin zu den farbenprächtigen Goldwespen. Und man kann, wie in meinem Fall, sogar seltene faunistische Bienenbeobachtungen an so einem „Hotel“ machen.
Wolfgang Schweighofer, Juni 2022