Die Geißklee-Sandbiene – ein Wildbienen-Kleinod in Neubach a.d. Pielach

Die Geißklee-Sandbiene (Andrena aberrans) besitzt eine lückenhafte Verbreitung, die von einem kleinflächigen Areal in Zentralbayern bis weit nach Ukraine und Kasachstan reicht. Doch nirgends ist die Art häufig. In Bayern sind die wenigen Vorkommen inzwischen deutlich geschrumpft und die Art akut vom Aussterben bedroht, und in Österreich dürfte es nur ganz wenige lebende Personen geben, die diese Biene überhaupt je gesehen haben. Das Internet gibt nur wenige Informationen und kaum Bilder her.

Soweit die Ausgangsposition. Immerhin fand ich heraus, dass diese Biene zu den oligolektischen Arten zählt und in Mitteleuropa nur den Regensburger Geißklee (Chamaecytisus ratisbonensis) zum Pollensammeln nutzt, in Südtirol auch den Purpur-Geißklee (Ch. purpureus). Die Art ist relativ groß und besitzt auf dem schwarzen Hinterleib kontrastierende weiße Haarbinden sowie eine orange Endfranse.

Zuerst galt es herauszufinden, was von den Vorkommen des Regensburger Geißklees, die ich vor über 25 Jahren kartiert hatte, heute noch übriggeblieben ist. Tatsächlich fanden sich vor allem im Raum Emmersdorf, in Schönbühel und eben im Raum Pielach bis Neubach noch einige Restvorkommen. Der Geißklee ist eine Saumpflanze, die nicht gerne abgemäht werden will. Demzufolge kommt sie in verbrachten Wiesen vor. Oft aber entwickeln sich solche Standorte mit der Zeit zu Gehölzbeständen, in denen der Geißklee beschattet und verdrängt wird und schließlich verschwindet. So verschwinden auch die zugehörigen Sandbienen.

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Regensburger Geißklee (Chamaecytisus ratisbonensis) am Spitzer Setzberg, 29.4.2022

 

Das meistversprechende Geißklee-Vorkommen stellte ich auf einer verbrachten Wiese unmittelbar vor Neubach fest. Dort waren vor 15 Jahren noch zahlreiche Schwarzfleckige Grashüpfer (Stenobothrus nigromaculatus) umhergesprungen, die es kurzrasig wollen. Nun aber ist dort seit Jahren nicht mehr gemäht worden und die empfindlichen, seltenen Grashüpfer sind weg. Aber der Geißklee war im zentralen Teil noch vorhanden, dicht eingehüllt von alten Grasblättern und aufkommenden Jungbäumen.

Tatsächlich gelang es mir schon am 21. April, ein frisches Sandbienenweibchen zu fotografieren, das auf Geißklee Pollen sammelte. Die Beschreibung für Andrena aberrans stimmte mit meinen Bildern überein, doch gibt es einige sehr ähnliche verwandte Arten, die ebenfalls Schmetterlingsblütler besuchen und auch auf Geißklee auftreten könnten. Diese mussten also ausgeschlossen werden. Der bekannte Bienenkundler und Buchautor Heinz Wiesbauer, dem die Art ebenfalls noch fehlte, zeigte nun ebenfalls Interesse, und gemeinsam starteten wir am 29. April eine Exkursion zunächst nach Neubach. Bei endlich perfektem Bienenwetter konnten wir neben vielen Langhornbienen-Männchen diesmal sogar 2 Sandbienen-Weibchen an Geißklee sichten und fotografieren. Es handelte sich schlussendlich eindeutig um die gesuchte, seltene Art!

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Geißklee-Sandbiene (Andrena aberrans) bei Neubach an der Pielach, 29.4.2022

 

Von diesem Erfolg angetrieben, fuhren wir noch in die Wachau zum Spitzer Setzberg, wo wir im oberen Bereich nun ebenfalls einige schöne Geißkleebüsche sahen, auf denen sich zu unserer Freude wiederum etliche Weibchen der Geißklee-Sandbiene fanden. Am Setzberg sieht die Situation insgesamt nicht schlecht aus, es gibt aber auch dort nicht allzu viel Geißklee, und der dürfte in Zukunft tunlichst nicht abgemäht werden.

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Geißklee-Sandbiene (Andrena aberrans) beim Pollensammeln an Regensburger Geißklee (Chamaecytisus ratisbonensis) am Spitzer Setzberg, 29.4.2022

 

Schlecht sieht es allerdings am Vorposten in Neubach aus. Dort wären dringendst Pflegemaßnahmen in dem Wiesengelände durchzuführen. Die Steppenart Schwarzfleckiger Grashüpfer hat hier bereits die Segel streichen müssen. Auch die einzigen verbliebenen Bestände der Duft-Skabiose (Scabiosa canescens) im Bezirk Melk sind in akuter Gefahr.

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Duft-Skabiose (Scabiosa canescens), Neubach an der Pielach, 25.8.2021

 

Wie der Linien-Erdbock (Dorcadion pedestre), den wir bei der gemeinsamen Exkursion fanden, mit der Situation umgeht, wissen wir nicht. Er lebt hier an der äußersten Westgrenze seines ostösterreichischen Areals. Aber es sprießen überall junge Gehölze in den dicht verfilzten Wiesenbereichen. Sollen die seltenen, dort noch lebenden Arten erhalten werden, muss möglichst rasch ein Pflegekonzept für diese wertvollen Habitate realisiert werden.

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Linien-Erdbock (Dorcadion pedestre), Neubach an der Pielach, 29.4.2022

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Mai-Langhornbiene ♂ (Eucera nigrescens), Neubach an der Pielach, 28.4.2022

 

Erfreulich ist jedenfalls, dass nun zwei aktuell bestätigte Fundpunkte der faunistisch hochinteressanten Geißklee-Sandbiene im Arbeitsgebiet von Lanius liegen, was allerdings auch die Verantwortlichkeit für einen Naturschutzverein deutlich erhöht.

 

Wolfgang Schweighofer, 2.5.2022