Die Schneckenhaus-Harzbiene (Rhodanthidium septemdentatum) galt lange Zeit bis in die 2000er Jahre als eine der größten Kostbarkeiten der heimischen Bienenfauna. Ursprünglich schwerpunktmäßig im submediterranen Raum beheimatet, wurde sie jedoch zu einem der großen Klimagewinner und konnte sich zuletzt vor allem im pannonischen Raum deutlich ausbreiten sowie ihre Vorkommen verdichten. Als Bewohnerin heißer Felssteppen hat sie beispielsweise im Wachauer Terrassenweinbau eine neue Heimat gefunden. Während aus Oberösterreich noch keine Funde vorliegen, hat die attraktiv gezeichnete große Biene den Weg in den Nibelungengau schon vor Jahren über die Bahntrasse der Donauuferbahn gefunden.
Die Harzbiene nistet in leeren Gehäusen der Wiener Bänderschnecke (Cepaea vindobonensis). Diese findet sie in Felsspalten, heißen Klaubsteinhaufen, Trockensteinmauern und eben im Gleisschotter der Donauuferbahn. Stellenweise war hier die Art in den vergangenen Jahren regelmäßig und häufig anzutreffen, etwa in Emmersdorf oder bei Kleinpöchlarn. Dabei bevölkerte sie vor allem Stellen am Gleiskörper, wo blumenreiches Grünland an den Bahnkörper angrenzte wie etwa bei der bekannten „Leinwiese“ am Kleinpöchlarner Rindfleischberg. Dort konnte sie ausreichend Nektar und Pollen gewinnen, vorzugsweise am Wiesensalbei oder an Schmetterlingsblütlern wie Hufeisenklee, Hornklee oder Esparsette.
Vor ein paar Jahren jedoch wurde der Bahnbetrieb auf der Donauuferbahn kurz vor ihrem 100. Geburtstag eingestellt. Der Gleiskörper wurde abgetragen und der Gleisschotter flachgewalzt. Dabei dürften wohl die meisten leeren Schneckenhäuser im Bahnkörper zerstört worden sein. Zuvor schon wurde im zentralen Rindfleischberg-Südhang über Privatinitiative eine neue Trockensteinmauer errichtet. Ich habe die Gelegenheit genutzt und einige Sackerl voll leerer Schneckenhäuser in der Umgebung, aber auch in den Weinbergen von Spitz gesammelt. Diese Schneckenhäuser platzierte ich in den Fugen der neu entstandenen Mauer. Auch andere Personen sammelten zusätzliche Schneckenhäuser.
Nach zwei Jahren kann man sagen: Die Aktion wurde ein voller Erfolg. Dieser Tage wimmelt es an der Mauer bereits von frisch geschlüpften Schneckenhaus-Harzbienen und die ersten Weibchen tragen bereits Pollen in die leeren Schneckenhäuser ein. Diesen ernten sie auf der vorgelagerten Salbeiwiese. Der Bestand solcher Magerwiesen ist zu einem beträchtlichen Teil der verdienstvollen Tätigkeit unseres umtriebigen Naturschutzexperten Reinhard Kraus zu verdanken.
In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass die Biene weitere inzwischen freigestellte oder neu errichtete Mauern besiedeln wird. Das ist jedenfalls ein Erfolg für den Artenschutz: Das Ende der Donauuferbahn wurde nicht zum Ende der Schneckenhaus-Harzbiene!
11.5.2021, Wolfgang Schweighofer