Ich möchte heute eine jener vielen unscheinbaren, kleinen Sandbienenarten vorstellen, die sich auch in meinem Garten herumtreiben.
Früher, in meiner Zeit als Florist, hatte ich ein gestörtes Verhältnis zum Gewöhnlichen Löwenzahn Taraxacum officinale. Er war für mich das Sinnbild einer Zeigerpflanze artenarmer, stark gedüngter Fettwiesen. Noch dazu produzierte die Tourismuswerbung Werbe-Sujets mit blühenden Löwenzahnwiesen, die als Ersatz für die verloren gegangenen Blumenwiesen und ihre Artenvielfalt herhalten mussten. Das war wirklich abschreckend.
Nach bald 25 Jahren ist es mir in meinem Garten trotz konsequenter Extensivierung aber nicht gelungen, den Löwenzahn wegzukriegen. Die aufgetragene Waldviertler Erde ist einfach zu nährstoffreich. Aber der Reichtum an Kräutern hat sich dennoch erhöht. Im Vorfrühling wird die Wiese plötzlich grün und an der kleinen Südböschung unterm Haus starten schlagartig die ersten Blütenköpfe des Löwenzahns in die Saison. Seit Jahren beobachte ich dann gleich einmal die kleine Sandbiene Andrena taraxaci mit ihrem unaussprechlichen deutschen Namen. Als eine von ganz wenigen Sandbienen habe ich diese Art tatsächlich mit einem Andrenen-Schlüssel bestimmt. Die Art ist oligolektisch und sehr stark auf den Löwenzahn spezialisiert, im Gegensatz zur nahe verwandten sehr ähnlichen Art Andrena humilis, die zeitversetzt etwas später fliegt und dann verschiedene gelbblühende Korbblütler nutzt, beispielsweise auch Wiesen-Pippau (Crepis biennis). Aber im März kann man sich ziemlich sicher sein: Wenn die Sandbienen auf den allerersten Löwenzahnköpfen sitzen, dann ist es eben taraxaci.
Die Bienen sind maximal einen guten Zentimeter groß und von dunkler Gesamtfärbung. Vor allem die Männchen besitzen am ganzen Körper eine feine rötlichgelbe Behaarung. Diese verblasst allerdings bereits in den ersten Flugtagen. Die beiden Geschlechter bekleiden – so wie eigentlich im gesamten Tierreich – unterschiedliche Rollen. Damit folgen sie Naturgesetzen, die die Erhaltung der Art garantieren und eigentlich auch für den Menschen gelten würden.
Die Sandbienen-Männchen haben nur eine einzige Aufgabe: die Weibchen zu beglücken. In diese Aufgabe stecken sie ihre gesamte Energie, meistens ohne Ergebnis. Denn die Weibchen gestatten nur eine einzige Paarung nach dem Schlupf, dann werden die weiteren Freier konsequent abgewiesen. Die von ihren wilden Weibchen-Suchflügen erschöpften Männchen rasten öfters auf besonnten Blättern oder nackten Bodenstellen, wo man sie mit etwas Geduld auch gut fotografieren kann. Die langlebigeren Weibchen übernehmen dagegen umgehend die komplette „Care-Arbeit“, indem sie Nester an offenen Erdstellen graben und anschließend Löwenzahnpollen und -nektar in die angelegten Brutzellen bringen. Klassische, von der Evolution entwickelte Geschlechterrollen eben.
Andrena taraxaci war eigentlich ursprünglich eine wohl übersehene und seltene, östliche Art, die oft mit A. humilis verwechselt wurde. Mittlerweilen ist die Art bei uns sicherlich häufig, so wie ihre in erster Linie genutzte Pollenpflanze, der Löwenzahn. Allerdings sind inzwischen in den tiefen Lagen sogar die fetten Löwenzahnwiesen schon recht selten geworden, sodass es gebietsweise auch für die sogenannten „häufigen“ Arten schon eng werden kann. Andrena taraxaci hat in den letzten Jahren nach Oberösterreich auch das östlichste Bayern im Gebiet von Passau erreicht und wird sich dort wohl noch weiter ausbreiten.
Im Garten kann man die Art leicht fördern, indem man an sonnenbeschienenen Stellen in leichter Hanglage kräuterreiche Flächen mit Löwenzahn, aber auch offenen Erdstellen entwickelt. Besonders südgerichtete Böschungen sind bestens geeignet. Mähen sollte man hier möglichst spät und düngen gar nicht, dann werden sich auf solchen Flächen sicherlich mehrere Wildbienenarten, darunter Andrena taraxaci, ansiedeln.
Wolfgang Schweighofer, 21.03.2024