In Österreich gibt es rund 700 Wildbienen-Arten. Für die meisten Menschen bleiben diese „anderen“ Bienen eine fremde Welt und sie verbinden mit dem Begriff „Biene“ in den allermeisten Fällen nur die wirtschaftlich interessante Honigbiene. Dabei ist aber gerade auch die Existenz all dieser vielen Wildbienen inklusive Hummeln für die Bestäubung der Blütenplfanzen enorm wichtig.
Die Zahl an sich wäre ja nicht einmal so abschreckend, aber die schwierige Bestimmbarkeit großer Gattungen wie z.B. der Sandbienen (Andrena) schreckt auch den Faunisten schnell einmal ab, sich tiefgehender mit der spannenden Gruppe der Bienen näher zu befassen. Und so gibt es am Ende viel weniger Bienenspezialisten als Bienenarten.
Dabei wäre gerade die vermehrte Beschäftigung mit diesen Insekten besonders wichtig, sagt doch ihre Präsenz in einem Lebensraum oft sehr viel über dessen ökologische Qualität aus. So gibt es in den bereits bekannten Biodiversitäts-Hotspots wie etwa dem Kleinpöchlarner Rindfleischberg oder auch in meinem Garten sehr viele Wildbienen.
Das Bestimmen der Bienen ist aber nicht von vornherein grundsätzlich aussichtslos, denn es gibt ja z.B. die sogenannten oligolektischen Bienen, das sind – quer durch verschiedene Gattungen – Bienenarten, die nur an bestimmten Arten einer Pflanzenfamilie Pollen sammeln.
Ein Beispiel ist die Rote Fingerkraut-Sandbiene (Andrena potentillae). Wie der Name bereits verrät, sammelt diese Bienenart innerhalb der Pflanzenfamilie der Rosengewächse fast nur an der Gattung Fingerkraut (Potentilla) und hier wiederum nur an sehr früh blühenden Arten, vor allem an Potentilla neumanniana. Daneben sollen auch P. heptaphylla und gebietsweise P. arenaria sowie ausnahmsweise auch Erdbeere (wohl in erster Linie Fragaria viridis) besucht werden. Während die Frühlings-Fingerkräuter in niederen und mittleren Lagen verbreitet vorkommen, gilt allerdings unsere Fingerkraut-Sandbiene generell als seltene Art. Westrich gibt die Art für Deutschland als „sehr selten“ an, Wiesbauer nennt sie für Österreich „selten“. Das bedeutet: Nicht überall, wo Frühlings-Fingerkraut wächst, ist automatisch mit Vorkommen dieser Sandbiene zu rechnen.
Mir sind glücklicherweise in den letzten Tagen zwei Funde der seltenen Art gelungen. Zunächst fand ich einige Exemplare am Kleinpöchlarner Rindfleischberg in der Nähe des Osterluzeifalterplatzes auf nur kleinen Beständen von Fingerkraut. Entsprechend der Kleinheit von Fingerkrautblüten sind die Sandbienen selbst ebenfalls ziemlich klein. Je nach Geschlecht erreichen sie Längen zwischen nur 5 und 7 mm. Auffällig sind rote Hinterleibsringe bei beiden Geschlechtern. Es gibt nur eine ähnliche Art, die aber nicht auf Fingerkraut spezialisiert ist, etwas später fliegt und eine Spur größer ist, somit also als Verwechslungsart ausscheidet. A. potentillae fliegt schon im März bis in den April.
In der Folge dachte ich an den benachbarten Henzing-SW-Hang bei Leiben, dem ich in der Lanius-Info schon einmal einen Aufsatz gewidmet habe. Dort gibt es auf den schütteren Magerrasen ebenfalls viel Fingerkraut, da sollte das Bienchen doch eigentlich auch vorkommen. Tatsächlich fand ich bei einem Besuch dort etwa 10-15 Weibchen, die Männchen waren an diesem Standort bereits vorbei.
Man stellt sich danach natürlich die Frage: Warum ist diese Art so selten und kommt nur an diesen beiden speziellen Standorten vor? Dazu habe ich einige Überlegungen angestellt. Nach meinen Beobachtungen ist Andrena potentillae thermisch extrem anspruchsvoll. Sie fliegt praktisch nur ab Mittag in den ersten Nachmittagsstunden und benötigt hier volle Sonneneinstrahlung, also SW-geneigte Hänge. Sobald sich eine dünne Schichtwolke vor die Sonne schiebt, sind die Fingerkraut-Sandbienen noch vor allen anderen Bienenarten blitzschnell verschwunden. Somit sind nur ganz wenige eng begrenzte Sonderstandorte für das Vorkommen dieser kleinen Biene geeignet. Bereits reine Südhänge dürften von ihr nicht mehr genutzt werden.
Das Fotografieren der Tiere ist ziemlich schwierig, da sie außergewöhnlich hektisch agieren und sehr scheu sind. Vorerst muss man die kleinen Bienen aber erst einmal entdecken, was nur durch Anschleichen und sorgfältiges Studieren von Fingerkrautrasen mit einiger Geduld möglich ist.
Ich gehe davon aus, dass die Rote Fingerkraut-Sandbiene zwar bei uns selten ist, aber dennoch an weiteren Plätzen gefunden werden könnte. Im Zuge von Frühlingsspaziergängen sollte man die Vorkommen von Frühlings-Fingerkraut im Auge behalten.
Die Zukunft dieser Bienenart bereitet Anlass zur Sorge. Einerseits werden viele kurzrasige Magerwiesen mit Fingerkraut heutzutage nicht mehr gemäht und verfilzen. Das konkurrenzschwache Fingerkraut wird dadurch immer weniger. Am Henzing habe ich beobachtet, dass neuerdings Gülle bis in die höchsten Teile der Hangwiesen ausgebracht wird und somit die Fingerkrautteppiche teilweise mit Gülle verkrustet waren. Starke Düngung führt ebenfalls zum Erlöschen des Frühlings-Fingerkrauts.
Literaturtipps:
- Paul Westrich: Die Wildbienen Deutschlands. 821 Seiten, Ulmer Verlag
- Heinz Wiesbauer: Wilde Bienen. 480 Seiten, Ulmer Verlag
- Wolfgang Schweighofer: Der Henzing – Tagfalterparadies im Spätherbst. LANIUS-Information 17/3-4, Dez. 2008.
Wolfgang Schweighofer, 14.4.2021