Die Schmallappige Schienenbiene im westlichen Niederösterreich

Pseudapis diversipes gehört zu jenen Bienenarten, die offensichtlich imstande sind, ihr Areal im Zuge des Klimawandels zügig nordwärts vergrößern zu können. Ursprünglich gab es nur 2 historische Angaben aus der Zeit um 1940 aus der Umgebung des Neusiedler Sees. Dann blieb diese wärmeliebende Biene in Österreich etwa 60 Jahre weitgehend verschollen. In den 2000er Jahren tauchte sie wieder in Ostösterreich auf und wird inzwischen speziell im Wiener Bereich häufig gefunden. Bis 2019 hatte die Art westwärts Gobelsberg (östlich Krems) erreicht (Karte bei Pachinger et al. 2019).

Pseudapis diversipes ist eine gedrungene, nur 7-8 mm große, recht unauffällige Biene mit schwärzlicher Grundfarbe. Kennzeichnend sind bei den Weibchen zwei weiße, stark kontrastierende Tergitbinden und – im Vergleich zur Körpergröße – auffallend große Flügeldeckschuppen (Tegulae). Es handelt sich um eine Sommerbiene, die bis in den September hinein in passenden Habitaten angetroffen werden kann. Die Art bevorzugt besonders warme, sandige, strukturreiche Flächen mit einem – trotz der späteren Jahreszeit – gewissen Blütenangebot. Die Biene gilt als polylektisch, sammelt also an verschiedenen Pflanzenarten.

Das erste Exemplar von Pseudapis diversipes entdeckte ich im Firmengelände Gradwohl bei Melk am 13.8.2020 dadurch, dass sich ein Weibchen auf mein Schienbein setzte und dort fotografieren ließ. Somit hatte die Schienenbiene also definitiv den engeren pannonischen Raum nachweislich Richtung Westen verlassen.

Im Folgejahr 2021 fand ich in Melk keine Schienenbiene, wohl auch deswegen, weil ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, an welchen Blüten diese Art im Gradwohl-Gelände zu suchen wäre.

Diversipes 1

Gelber Zahntrost (Odontites luteus) mit mehreren Exemplaren der trocknisresistenten Heideschnecke (Xerolenta obvia). Melk, 26.8.2023

2022 studierte ich das lokal begrenzte, im Gebiet angesalbte Vorkommen des Gelben Zahntrosts (Odontites luteus) genauer, um zu sehen, welche Bienen diese recht spät blühende Pflanze denn nutzen. Es dauerte nicht lange, bis ich neben den regelmäßig zu sehenden Exemplaren der Zahntrost-Sägehornbiene (Melitta tricincta) das erste pollensammelnde Weibchen von Pseudapis diversipes erspähte! Es waren sogar mehrere vorhanden – bis zu 3 gleichzeitig. Das Fotografieren der kleinen, lebhaften Schienenbienen am Zahntrost erwies sich anfangs als nicht ganz einfach, doch neigt diese Bienenart dazu, sich zwischendurch an Grashalmen und dürren Pflanzenstängeln gleichsam auszurasten. In solchen Phasen kann man dann fotografisch zuschlagen.

Diversipes 2

Weibchen der Schmallappigen Schienenbiene (Pseudapis diversipes) bei einer Rast während des Pollensammelns an Gelbem Zahntrost. Melk, 19.8.2023

Dabei konnte ich feststellen, dass die Schienenbienen – ähnlich wie z.B. Tagfalter – Interesse an der Aufnahme von Mineralien haben dürften. Immer wieder setzten sich während des Fotografierens einzelne Bienen am Hosenbein oder an meinen Schuhen ab, um dort Mineralstoffe abzulecken. In der Folge ist es nicht schwer, die Biene auf die verschwitzte Fingerkuppe zu bekommen, wo man weitere Nahaufnahmen schießen kann.

Diversipes 3

Weibchen der Schmallappigen Schienenbiene (Pseudapis diversipes) leckt Mineralien von der Fersenschlaufe meines Outdoor-Schuhs. Melk, 2.9.2023

Diversipes 4

Weibchen der Schmallappigen Schienenbiene (Pseudapis diversipes) leckt am mineralienhältigen Schweiß auf meiner Fingerkuppe. Melk 2.9.2023

Am 19. August 2023 besuchte ich die Stelle zur Zahntrostblüte neuerlich. Nach einem wetterbedingt schwachen Bienen- und Insektenjahr machte ich mir nicht sehr große Hoffnungen, die Schienenbiene wiederzusehen. Doch punktgenau sah ich wiederum 3-4 sammelnde Weibchen am Gelben Zahntrost.

Diversipes 5

Weibchen der Schmallappigen Schienenbiene (Pseudapis diversipes) sammelt Pollen und Nektar am Gelben Zahntrost (Odontites luteus). Melk, 2.9.2023

Von dieser Stelle ein Stück entfernt, entdeckte ich etwas später sogar erstmals ein sammelndes Weibchen an Rotem Zahntrost (Odontites vulgaris). Diese Pflanze kommt im gesamten Gradwohl-Gelände verstreut vor. Schienenbienen-Männchen habe ich bisher noch nicht beobachten können. Diese fliegen wohl bereits etwas früher und nutzen sicher auch andere Blüten als Nektarquelle. Vorerst blieb es offen, welche Pollenquellen die Weibchen vor der Blüte der beiden Zahntrostarten nutzen. Wenn der Zahntrost aber einmal blüht, scheint dieser von den Schienenbienen bevorzugt zu werden. Erst am 2. September ist es nun gelungen, eine weitere wichtige Trachtpflanze von Pseudapis diversipes im Gradwohl-Gelände nachzuweisen. Ich konnte etwa 4 der kleinen Bienenweibchen beim Blütenbesuch an der Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga) beobachten. Diese Pflanzen sind jetzt schon beim Abblühen, daher ist anzunehmen, dass die Art auch während der Hauptblüte im Sommer genutzt wird und dass dann wohl noch deutlich mehr Exemplare der Schienenbiene unterwegs sind, wobei jedoch Westrich auf seiner website www.wildbienen.info Nelkengewächse nicht für die 2 mitteleuropäischen Schienenbienen-Arten angibt, sehr wohl aber den Gelben Zahntrost. Bei den beflogenen Habitaten handelt es sich jeweils um steppenartige, sandige Bereiche mit hohem Offenbodenanteil und permanenter Sonneneinstrahlung. In Melk teilt sich die Schienenbiene diesen Lebensraum z. B. mit der Knotenwespe Cerceris interrupta (Crabronidae/Grabwespen). Diese wird in Deutschland wegen ihrer Bindung an diese speziellen, offenen Sandlebensräume als selten und gefährdet eingestuft (Schmid-Egger 2010). Solche Lebensräume sind bei uns von Natur aus sehr selten.

Diversipes 6

Weibchen der Schmallappigen Schienenbiene (Pseudapis diversipes) sammelt Nektar und Pollen an einer Blüte der Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga). Melk, 2.9.2023

Diversipes 7

Weibchen der Knotenwespe Cerceris interrupta lähmt gerade mit einem Stich einen erbeuteten Rüsselkäfer zur Versorgung einer Brutzelle. Melk, 2.9.2023

Beobachtungen des speziellen Brutparasiten Pasites maculatus sind vorläufig noch ausgeblieben. Jedoch ist Pseudapis diversipes mit einem Männchen sogar bereits in Oberösterreich gefunden wurden. Die Ausbreitungstendenz der Art hält also weiterhin an. Sicherlich werden die kleinen, eher spätfliegenden Bienen an manchen Orten aber auch übersehen, empfohlen werden könnte die Nachsuche in der unmittelbaren Umgebung von Sandgruben sowie in Lössgebieten.

 

Literatur (im Internet abrufbar):

  • Ockermüller E., Ebmer A.W., Hackl J., Schwarz M., Link A., Meyer P. & B. Pachinger (2021): Neufunde und bemerkenswerte Wiederfunde an Bienen (Hymenoptera, Apoidea) in Oberösterreich – 2. Linzer biologische Beiträge 53/2: 951-970
  • Pachinger B., Kratschmer S., Ockermüller E. & J. Neumayer (2019): Notizen zum Vorkommen und zur Ausbreitung ausgewählter Wildbienenarten (Hymenoptera: Anthophila) in den Agrarräumen Ost-Österreichs. Beiträge zur Entomofaunistik 20: 177–198
  • Schmid-Egger C. (2010): Rote Listen der Wespen Deutschlands. Ampulex 1/2010: 5-39

Wolfgang Schweighofer, 2.9.2023