Die Grabwespen sind eine ökologisch spannende Gruppe innerhalb der Hautflügler (Hymenopteren) und in Österreich mit über 200 Arten vertreten.
Die größte und eindrucksvollste dieser Arten ist Sphex funerarius. Sie wird fast 3 cm groß, hat einen schwärzlichgrauen, kurz behaarten Kopf- und Throaxbereich und einen kurz gestielten Hinterleib, der vorne leuchtend orange und an der Abdomenspitze schwarz gefärbt ist. Die Beine sind recht lang und schwarz mit teilweise rotorangen Zeichnungen. Dieses Tier fällt auf Grund seiner Größe in einem blüten- und insektenreichen Gelände sofort auf. Einmal aufgescheucht, entfernt sich das Tier großräumig und in blitzschnellem Flug. Bei Sonnenschein hat man dadurch den Kampf um ein brauchbares Foto augenblicklich verloren. Bessere Möglichkeiten hat man, wenn die Sonne gerade hinter Wolken verschwunden ist und es etwas kühler wurde. Da kann man den Sphex unter Umständen bis zur nächsten Landung verfolgen und sich dann vorsichtig anpirschen.
In der ersten österreichweiten Roten Liste der Tierarten aus 1994 hat der österreichweit führende Grabwespenspezialist Hermann Dollfuß – übrigens im Arbeitsgebiet von Lanius ansässig – diese Art als Kategorie 0, also ausgestorben, gelistet. Das Hauptverbreitungsgebiet liegt nämlich im warmen Südeuropa und weiter ostwärts. In den letzten Jahren hat sich die Art im Zuge des Klimawandels aber wieder bis zu uns ausgebreitet und auch weiter Richtung Norden bis zur Nord- und Ostsee. Bei dieser Ausbreitung werden natürlich Wärmegebiete mit Sandbiotopen bevorzugt. So soll die Art nach neuerer Literatur besonders im Wiener Raum und im Neusiedlerseegebiet gefunden werden.
Bei uns habe ich den ersten Fund auf der Geißklee-Sandbienen-Wiese in Neubach machen können. Da sich die Wiese im Verbrachungsstadium befindet, ist sie reich an höherwüchsigen Blütenpflanzen, darunter an vieltriebigen Exemplaren des Gewöhnlichen Dosts (Origanum vulgare). Ausschließlich die Blüten dieser Pflanze wurden von dem einen Exemplar der Heuschrecken-Sandwespe bevorzugt.
Heuschrecken-Sandwespe (Sphex funerarius); Neubach, 23.7.2022.
Einige Tage später konnte ich ein weiteres Exemplar finden und zwar im Betriebsgelände der Firma Gradwohl bei Melk. Auch hier suchte das Tier die Blütenstände des Dosts auf. Kurz darauf machte ich eine weitere Beobachtung an einer Schlitzblättrigen Karde, wobei es sich möglicherweise um dasselbe Tier gehandelt haben könnte.
Heuschrecken-Sandwespe (Sphex funerarius); Melk, 3.8.2022.
Diese große Grabwespenart ernährt sich also vom Nektar bestimmter Blüten, jagt aber auch nach größeren Langfühlerschrecken, die sie in ihre Nester in Sandboden einträgt, um dort als Nahrungsvorrat für die Larven in den Brutkammern zu dienen. Die Heuschrecken werden mit einem Stich gelähmt, um so möglichst lange frisch zu bleiben – ein grausames Schicksal.
Möglicherweise befinden sich die Brut- und Entwicklungshabitate der Sandwespe in den Quarzsandgruben der Umgebung. Sandhabitate in Nachbarschaft von blütenreichem Wiesengelände stellen die optimalen Lebensräume für viele Grabwespenarten dar. Es wird interessant sein, zu beobachten, wie sich diese Grabwespenart unter dem Einfluss des Klimawandels in unserem Gebiet ausbreiten kann.
Wolfgang Schweighofer, 16.8.2022