Die Sechsjahres-Schmalbiene

Diese nicht einmal 1cm groß werdende Biene (Lasioglossum marginatum) ist öfters Gegenstand von Anfragen. Es handelt sich hier um die einzige mitteleuropäische Wildbienenart, die mehrjährige Staaten bildet. Königinnen können bis zu 6 Jahre alt werden. Der Lebenszyklus eines solchen Staates ist relativ komplex und kann z.B. bei Westrich (Die Bienen Deutschlands) nachgelesen werden.

Doch würden diese Bienen mit ihrer „primitiv eusozialen“ Lebensweise wohl keine größere Aufmerksamkeit erzielen. Diese erreichen sie vielmehr mit der kolonieartigen Anlage ihrer Nester – meistens in schütteren, kurzrasigen Magerwiesen, wobei die senkrechten kaminartigen Ausgänge in einem vulkanähnlichen Gebilde aus Aushubmaterial des meist sandigen oder lössigen Untergrunds liegen. Bei idealen Bedingungen kann es also passieren, dass zig solcher kleiner Vulkane in einem Quadratmeter Wiesenfläche liegen. Und das fällt auf, und zwar überwiegend im April. Es ist erstaunlich, was diese kleinen Bienenweibchen in dieser Zeit leisten. Schon die Anlage des mehrere Zentimeter hohen Erdkegels ist in Relation zur Körpergröße der Bienen beachtlich, ältere Nester können allerdings bis in eine Tiefe von 90 cm in den Boden reichen! Im letzten Jahr des Bestehens leben dann in so einem Nest bis über 1000 Sechsjahres-Schmalbienen.

Während also die Weibchen in besiedelten Wiesen im Frühling in großen Mengen schwärmen und Blüten besuchen, um Pollen ins Nest eintragen zu können, sieht man die Männchen oft in gewaltigen Massen erst im Herbst mit Schwerpunkt Oktober. Sie dringen in Nester ihrer Art ein und begatten dort die darin befindlichen Königinnen.

Man kann sich im April bei einem entdeckten „Vulkan“ auf die Lauer legen und das Aus- und Einfliegen der Bienen beobachten bzw. fotografieren. Erst erblickt man einmal die Fühler, die aus dem engen Schlot emporragen, dann den Kopf.

Lasioglossum marginatum

Oft erst nach einigem Hin und Her bequemt sich die Biene auf den „Kraterrand“ des Kegels. Für ein gutes Foto braucht man jetzt Glück, damit sich die Biene in die richtige Position dreht.

Lasioglossum marginatum

Meist erscheint schon die nächste Biene im Schlot, während ihre Vorgängerin noch unschlüssig am Kraterrand wartet. Es ist erstaunlich, wie viele Bienchen so ein Nest hintereinander ausspuckt.

Lasioglossum marginatum

Aber schließlich hebt wieder eine Biene ab.

Lasioglossum marginatum

Nach einer Runde über dem Kegel geht es ab in die Botanik, um Pollen zu sammeln, z.B. an Fingerkraut oder Löwenzahn.

Lasioglossum marginatum

Die Art sammelt insgesamt an 8 Pflanzenfamilien. Nach wenigen Wochen sind die Brutkammern gut mit Pollenvorräten gefüllt und meist schließt dann ein Platzregen die Öffnungen der Nester. Bald ist von den unterirdischen Nestern von außen nichts mehr zu sehen.

Lasioglossum marginatum war ursprünglich in Mitteleuropa eine seltene Art und kam nur in ausgesprochenen Wärmegebieten vor. Sie profitierte in der Folge vom Klimawandel und weitete ihr Areal zügig aus. Dabei erreichte sie auch unser Gebiet im westlichen Niederösterreich und wurde so am Kleinpöchlarner Rindfleischberg, von wo auch meine Bilder (23.4.2021) stammen, schon früh von dem Bienenforscher K. Mazzucco entdeckt. Mittlerweilen habe ich die Art auch schon an mehreren anderen Orten gefunden. Zum Beispiel hat die damalige ÖKO-Hauptschule Pöchlarn durch eine konsequente Pflege eines Abschnitts des Erlaufdamms eine Ansiedlung dieser Bienenart ermöglicht, aber auch vielen anderen Insekten- und Pflanzenarten eine neue Heimat gegeben.

Inzwischen aber sieht es wieder schlechter aus. Es ergeben sich zunehmend Schwierigkeiten bei der Wiesenbewirtschaftung. Man muss heute froh sein, wenn sich jemand findet, der extensives Grünland gerade noch einmal im Jahr mäht. Öfters wird auch auf die Mahd „vergessen“. Die Folge ist, dass im Frühling nicht kurzrasiges, blütenreiches Grasland auf die Bienen wartet, sondern ein dichter Filz aus vorjährigen Grasblättern.

Ein Osterluzeifalter (Zerynthia polyxena) sitzt am 23.4.2021 auf einer Wiesenfläche mit dichtem Altgrasfilz, in dem die gelben Blüten des Frühlings-Fingerkrauts versinken. Das Fingerkraut läuft Gefahr, wegen Lichtmangels abzusterben.

Selbst in Europaschutzgebieten führt dies zunehmend zu einem Rückgang von anspruchsvollen Wiesenbewohnern wie etwa auch der seltenen Fingerkraut-Sandbiene oder dem stark gefährdeten Schwarzfleckigen Grashüpfer. Ihr Verschwinden verstärkt leider unser ständig wachsendes Biodiversitätsproblem.

 

Wolfgang Schweighofer, 23.4.2021

Die Rote Fingerkraut-Sandbiene im Nibelungengau

In Österreich gibt es rund 700 Wildbienen-Arten. Für die meisten Menschen bleiben diese „anderen“ Bienen eine fremde Welt und sie verbinden mit dem Begriff „Biene“ in den allermeisten Fällen nur die wirtschaftlich interessante Honigbiene. Dabei ist aber gerade auch die Existenz all dieser vielen Wildbienen inklusive Hummeln für die Bestäubung der Blütenplfanzen enorm wichtig.

Die Zahl an sich wäre ja nicht einmal so abschreckend, aber die schwierige Bestimmbarkeit großer Gattungen wie z.B. der Sandbienen (Andrena) schreckt auch den Faunisten schnell einmal ab, sich tiefgehender mit der spannenden Gruppe der Bienen näher zu befassen. Und so gibt es am Ende viel weniger Bienenspezialisten als Bienenarten.

Dabei wäre gerade die vermehrte Beschäftigung mit diesen Insekten besonders wichtig, sagt doch ihre Präsenz in einem Lebensraum oft sehr viel über dessen ökologische Qualität aus. So gibt es in den bereits bekannten Biodiversitäts-Hotspots wie etwa dem Kleinpöchlarner Rindfleischberg oder auch in meinem Garten sehr viele Wildbienen.

Das Bestimmen der Bienen ist aber nicht von vornherein grundsätzlich aussichtslos, denn es gibt ja z.B. die sogenannten oligolektischen Bienen, das sind – quer durch verschiedene Gattungen – Bienenarten, die nur an bestimmten Arten einer Pflanzenfamilie Pollen sammeln.

Ein Beispiel ist die Rote Fingerkraut-Sandbiene (Andrena potentillae). Wie der Name bereits verrät, sammelt diese Bienenart innerhalb der Pflanzenfamilie der Rosengewächse fast nur an der Gattung Fingerkraut (Potentilla) und hier wiederum nur an sehr früh blühenden Arten, vor allem an Potentilla neumanniana. Daneben sollen auch P. heptaphylla und gebietsweise P. arenaria sowie ausnahmsweise auch Erdbeere (wohl in erster Linie Fragaria viridis) besucht werden. Während die Frühlings-Fingerkräuter in niederen und mittleren Lagen verbreitet vorkommen, gilt allerdings unsere Fingerkraut-Sandbiene generell als seltene Art. Westrich gibt die Art für Deutschland als „sehr selten“ an, Wiesbauer nennt sie für Österreich „selten“. Das bedeutet: Nicht überall, wo Frühlings-Fingerkraut wächst, ist automatisch mit Vorkommen dieser Sandbiene zu rechnen.

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Männchen von Andrena potentillae auf Blüte von Potentilla neumanniana, Kleinpöchlarn

Mir sind glücklicherweise in den letzten Tagen zwei Funde der seltenen Art gelungen. Zunächst fand ich einige Exemplare am Kleinpöchlarner Rindfleischberg in der Nähe des Osterluzeifalterplatzes auf nur kleinen Beständen von Fingerkraut. Entsprechend der Kleinheit von Fingerkrautblüten sind die Sandbienen selbst ebenfalls ziemlich klein. Je nach Geschlecht erreichen sie Längen zwischen nur 5 und 7 mm. Auffällig sind rote Hinterleibsringe bei beiden Geschlechtern. Es gibt nur eine ähnliche Art, die aber nicht auf Fingerkraut spezialisiert ist, etwas später fliegt und eine Spur größer ist, somit also als Verwechslungsart ausscheidet. A. potentillae fliegt schon im März bis in den April.

In der Folge dachte ich an den benachbarten Henzing-SW-Hang bei Leiben, dem ich in der Lanius-Info schon einmal einen Aufsatz gewidmet habe. Dort gibt es auf den schütteren Magerrasen ebenfalls viel Fingerkraut, da sollte das Bienchen doch eigentlich auch vorkommen. Tatsächlich fand ich bei einem Besuch dort etwa 10-15 Weibchen, die Männchen waren an diesem Standort bereits vorbei.

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Weibchen von Andrena potentillae auf Blüte von Potentilla neumanniana, Henzing bei Leiben

Man stellt sich danach natürlich die Frage: Warum ist diese Art so selten und kommt nur an diesen beiden speziellen Standorten vor? Dazu habe ich einige Überlegungen angestellt. Nach meinen Beobachtungen ist Andrena potentillae thermisch extrem anspruchsvoll. Sie fliegt praktisch nur ab Mittag in den ersten Nachmittagsstunden und benötigt hier volle Sonneneinstrahlung, also SW-geneigte Hänge. Sobald sich eine dünne Schichtwolke vor die Sonne schiebt, sind die Fingerkraut-Sandbienen noch vor allen anderen Bienenarten blitzschnell verschwunden. Somit sind nur ganz wenige eng begrenzte Sonderstandorte für das Vorkommen dieser kleinen Biene geeignet. Bereits reine Südhänge dürften von ihr nicht mehr genutzt werden.

Das Fotografieren der Tiere ist ziemlich schwierig, da sie außergewöhnlich hektisch agieren und sehr scheu sind. Vorerst muss man die kleinen Bienen aber erst einmal entdecken, was nur durch Anschleichen und sorgfältiges Studieren von Fingerkrautrasen mit einiger Geduld möglich ist.

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Habitat von Andrena potentillae bei Kleinpöchlarn

Ich gehe davon aus, dass die Rote Fingerkraut-Sandbiene zwar bei uns selten ist, aber dennoch an weiteren Plätzen gefunden werden könnte. Im Zuge von Frühlingsspaziergängen sollte man die Vorkommen von Frühlings-Fingerkraut im Auge behalten.

Die Zukunft dieser Bienenart bereitet Anlass zur Sorge. Einerseits werden viele kurzrasige Magerwiesen mit Fingerkraut heutzutage nicht mehr gemäht und verfilzen. Das konkurrenzschwache Fingerkraut wird dadurch immer weniger. Am Henzing habe ich beobachtet, dass neuerdings Gülle bis in die höchsten Teile der Hangwiesen ausgebracht wird und somit die Fingerkrautteppiche teilweise mit Gülle verkrustet waren. Starke Düngung führt ebenfalls zum Erlöschen des Frühlings-Fingerkrauts.

Literaturtipps:

Wolfgang Schweighofer, 14.4.2021

Ein Frühlingsbote im Garten – die Fuchsrote Sandbiene

Nach dem seltenen Winzling Rote Fingerkraut-Sandbiene möchte ich einen weiteren Vertreter der Gattung Sandbiene porträtieren. Und gleich vorweg – hier handelt es sich um wesentlich leichtere Kost!

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Weibchen von Andrena fulva auf Blüte von Schwarzer Johannisbeere, Artstetten

Die Fuchsrote Sandbiene (Andrena fulva) gehört nämlich zu den größeren und im weiblichen Geschlecht sehr auffälligen und hübschen Sandbienen, die praktisch jeder problemlos bestimmen kann. Diese Bienen erscheinen schon sehr früh im Jahr, wohl Ende März, wobei die Männchen wie bei vielen anderen Sandbienen recht unauffällig sind und mit anderen Arten verwechselt werden können. Die Weibchen allerdings erreichen knapp Honigbienen-Größe und sind im frischen Zustand auf der Oberseite des Brustabschnitts und Hinterleibs mit einem leuchtend orangeroten dichten Pelz ausgerüstet, der sie schon von weitem kenntlich macht. Der restliche Bienenkörper ist kontrastierend schwarz gefärbt. Diese Sandbienenart ist also unverwechselbar.

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Weibchen von Andrena fulva rastet auf Blatt von Schwarzer Johannisbeere, Artstetten

Die Art ist polylektisch, das heißt, sie nutzt eine Vielzahl verschiedener Blüten aus 13 Pflanzenfamilien, wobei sie aber ganz überwiegend Blüten an Gehölzen den Vorzug gibt. Was die Beobachtung gerade im Garten aber ungemein erleichtert, ist die Tatsache, dass die Fuchsrote Sandbiene mit großer Stetigkeit an den Blüten von Ribiseln und Stachelbeeren Nektar und Pollen gewinnt. Das bedeutet: Hat man einen blütenreichen Garten mit einer Kultur von Johannisbeeren und/oder Stachelbeeren, so wird man diese Bienen gerade jetzt im Frühling mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beobachten können. Sobald sich die ersten Blüten an den Ribiseln öffnen, tauchen diese Bienen, die vielleicht vorher schon diverse Kriecherlbäume besucht haben, schlagartig in größerer Zahl in meinem Garten auf. Wenn dann diese Tracht dem Verblühen entgegen geht, dann hat sich inzwischen die auffällige Färbung des Rückenpelzes in ein fahles Beige gewandelt und die Flugzeit der Fuchsroten Sandbiene geht für dieses Jahr dem Ende entgegen.

Viel Spaß beim Beobachten!

Wolfgang Schweighofer, 14.04.2021